Französische Gedichte
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Poesie. Ein Medium, eine Kunst, die über die letzten Jahre und Jahrzehnte in Vergessenheit geraten ist. Dabei wird sie von William Shakespeare als “Musik, die jeder in sich trägt” bezeichnet. Dies soll heißen, dass die Zuneigung zur Poesie eigentlich jedem Menschen angeboren ist. Gedichte sind eine tolle Inspiration und werden oft als Medium genutzt, um eine primäre und vielleicht auch eine sekundäre Botschaft an den Leser zu überbringen. Dazu verwendet der Autor bestimmte Symbole, Bilder, Rhythmen, Klänge, Harmonien und Dissonanzen. Gedichte sind in ihrem Aufbau und ihrer Grammatik so spezifisch, dass sie als eigene Sprache innerhalb einer Sprache bezeichnet werden. Wenn man verliebt ist, kann man nicht nur Liebeslieder hören und -filme schauen, man kann auch romantische Gedichte lesen und so in seine Gefühlswelt eintauchen und sich treiben lassen. Die französische Sprache ist bekanntlich wunderschön, die Sprache der Liebe. So ist es natürlich, dass ein Gedicht in Französisch das Herz und die Seele zum Schmelzen bringen kann. Themen der Gedichte sind oft Liebe, Trauer, Leidenschaft oder Verzweiflung. Im Folgenden wird eine Auswahl an bezaubernder französischer Lyrik vorgestellt.
Victor Hugo – Demain, dès L’aube
Ganz egal, ob Sie Französisch lernen, ein Gedicht auswendig aufsagen möchten, oder sich einfach von der Kunst der Poesie verzaubern lassen wollen – Demain, Dès L’aube von Victor Hugo sollten Sie sich auf jeden Fall ansehen. Es ist eines der beliebtesten französischen Werke von einem der populärsten Autoren. 1856 wurde es als Teil der Gedichtsammlung Les Contemplations veröffentlicht und der Titel heißt übersetzt Morgen, in der Dämmerung. Das Gedicht spielt in der urigen Normandie und erzählt, wie Hugo das Grab seiner Tochter besucht, welche ein paar Jahre vorher ertrunken und somit verstorben ist.
Demain, dès l’aube, à l’heure où blanchit la campagne,
Je partirai. Vois-tu, je sais que tu m’attends.
J’irai par la forêt, j’irai par la montagne.
Je ne puis demeurer loin de toi plus longtemps.
Je marcherai les yeux fixés sur mes pensées,
Sans rien voir au dehors, sans entendre aucun bruit,
Seul, inconnu, le dos courbé, les mains croisées,
Triste, et le jour pour moi sera comme la nuit.
Je ne regarderai ni l’or du soir qui tombe,
Ni les voiles au loin descendant vers Harfleur,
Et quand j’arriverai, je mettrai sur ta tombe
Un bouquet de houx vert et de bruyère en fleur.
Marceline Desbordes-Valmore – Les Roses de Saadi
Die Schriftstellerin Desbordes-Valmore war vor allem für ihr Talent bekannt, Gefühle von Melancholie, Verzweiflung und verlorener Liebe mit Leichtigkeit zu vermitteln. Les Roses de Saadi (1860) lässt sehr viel Spielraum für Interpretation aus der Perspektive des Lesers. Grob formuliert geht es jedoch darum, Rosen zu einem geliebten Menschen zu bringen und, dass sich die Ereignisse entwirren. Desbordes-Valmores war eine der populärsten Poeten der französischen Romantik-Ära und ihre Werke waren prägend für die Evolution französischer Poesie. Wenn Sie sich selbst von den lyrischen Fähigkeiten D.-Valmores und vielen anderen überzeugen wollen, können Sie sich ihre Gedichte als Hörbuch herunterladen.
J’ai voulu ce matin te rapporter des roses ;
Mais j’en avais tant pris dans mes ceintures closes
Que les nœuds trop serrés n’ont pu les contenir.
Les nœuds ont éclaté. Les roses envolées
Dans le vent, à la mer s’en sont toutes allées.
Elles ont suivi l’eau pour ne plus revenir ;
La vague en a paru rouge et comme enflammée.
Ce soir, ma robe encore en est tout embaumée…
Respires-en sur moi l’odorant souvenir.
Guillaume Apollinaire – Le Pont Mirabeau
Ein weiteres famoses Gedicht aus dem Land der Liebe ist Le Pont Mirabeau von Guillaume Apollinaire. Es wurde 1912/13 als Teil der Kollektion Alcools, zu Deutsch Alkohol, veröffentlicht. Das Gedicht erzählt die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe unter der Mirabeau-Brücke, an der idyllischen Seine. Man vermutet, dass Apollinaire seine Inspiration aus der eigenen Beziehung mit der Künstlerin Marie Laurencin gewonnen hat, welche er beim Überqueren der Brücke traf. Das Gedicht ist auf der ganzen Welt bekannt und geliebt; der erste Vers ist sogar auf einem Schild an der Brücke verewigt:
Sous le pont Mirabeau coule la Seine
Et nos amours
Faut-il qu’il m’en souvienne
La joie venait toujours après la peine
Vienne la nuit sonne l’heure
Les jours s’en vont je demeure
Charles Baudelaire – À une Passante
An eine Passantin ist Ikone der Bewegung der modernen Literatur. Als eines der besten französischen Gedichte geht es auf die persönliche Erfahrung des Dichters ein, als eine Frau auf der Straße an ihm vorbeigeht. Er ist ehrfürchtig vor der Schönheit und Ausgeglichenheit der Dame. Das Thema des Textes ist der Zufall, die Gelegenheit, bzw. die Möglichkeit. Er besagt, dass jedes Ereignis im menschlichen Leben die Chance gibt, dieses in eine andere Richtung zu steuern. Das Gedicht soll die Emotionen im Leser erwecken, die man fühlt, wenn man sich an eine Liebe zurückerinnert, die nie die Möglichkeit hatte, zu blühen und zu wachsen.
La rue assourdissante autour de moi hurlait.
Longue, mince, en grand deuil, douleur majestueuse,
Une femme passa, d’une main fastueuse
Soulevant, balançant le feston et l’ourlet;
Agile et noble, avec sa jambe de statue.
Moi, je buvais, crispé comme un extravagant,
Dans son oeil, ciel livide où germe l’ouragan,
La douceur qui fascine et le plaisir qui tue.
Un éclair… puis la nuit! — Fugitive beauté
Dont le regard m’a fait soudainement renaître,
Ne te verrai-je plus que dans l’éternité?
Ailleurs, bien loin d’ici! trop tard! jamais peut-être!
Car j’ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais,
Ô toi que j’eusse aimée, ô toi qui le savais!